Dolomiten 2013 | Tourenbericht

(12.07. - 17.07.2013)

Eine Tour in den Dolomiten

Das Alpinteam im Abgrund des koordinierten Wahnsinns

by Jerome S.

Vor der Tour

Die Idee in den Dolomiten zu Klettern kam uns im Frühjahr diesen Jahres. Anfangs eher als nicht ganz so ernste Wunschvorstellung, waren Benny und ich doch so begeistert von der Vorstellung, dass wir das Ganze einfach mal in Angriff nahmen. Wir setzten alles quasi auf eine Karte und legten als Starttermin den 12. Juli fest. Sechs Wochen vor Beginn klaubten wir langsam aber sicher die noch nötige Ausrüstung zusammen und versuchten uns vorzubereiten.

Wie das Leben aber so spielt, bin ich erst mal wegen einer Schulterverletzung ausgefallen und das zwei Wochen vor Abfahrt...der ärztliche Rat bestand in der Empfehlung für diesen Zeitraum von zwei Wochen, keine Belastungen mehr auszuüben… „Toll!“ dachte ich mir und informierte Benny über die Umstände. Zeitgleich habe ich dann jedoch die Planung hinsichtlich der Gebiete und Routen übernommen. Irgendwie muss man sich ja nützlich machen und da Benny grundsätzlich eher der “Spontane“ (mit einem Schuss Wahnsinn) ist, dachte ich mir, es wäre doch ganz gut 'nen ordentlichen Plan in der Hand zu haben.

In den letzten Tagen vor Beginn wurden uns von Bergzeit zwei schicke Osprey-Rucksäcke für die Tour geschickt (weiteres hierzu an anderer Stelle). Diese wurden dann großzügig bepackt und blieben, trotz Ausrüstung für eine Woche, doch recht leer. Eigentlich hätten wir mit den Dingern kein Zelt gebraucht, ich hätte da wirklich fast reingepasst. Aber was soll's, besser so als anders herum.

Anfahrt und Tag 1


Am 12. Juli kam mich Benny um 21 Uhr abholen. Ich war schon Stunden vorher gespannt wie eine Bogensehne und wollte einfach nur weg. Als es endlich losging, mussten wir uns auf eine 7 - 8 stündige Fahrt einstellen. Schlugen uns diese auch recht gut und ohne wirklich besondere Vorkommnisse um die Ohren. Der einzige nächtliche Höhepunkt war ein deftiger Mitternachtssnack in einem beschaulichen Autobahnrestaurant, unter dem gelben Neonlicht eines großen M.

Als die Sonne langsam aufging waren wir bereits am Brenner vorbei und nur noch (verhältnismäßig) wenige Kilometer von unserem Zielort Cortina d'Ampezzo entfernt.
Uns bot sich eine geniale Kulisse zu dieser Uhrzeit. Die Gipfel waren in leichtes Rosa getaucht und teilweise blitzen Schneefelder im Sonnenlicht. Den Satz: „Meine Fresse hab ich Bock!“ hab‘ ich im Auto mehrmals wiederholt, während ich die Berglandschaft bestaunte.

Gegen halb sieben durchfuhren wir endlich Cortina d'Ampezzo und nahmen Kurs auf den Falzaregopass. Ziel: Der Hexenstein.
Ich wählte diese Route als erste, da sie eine bekannte und empfohlene, sehr schöne Einsteigerroute ist. Außerdem mussten wir uns erst mal an die alpinen Verhältnisse ran tasten. Wir konnten weder den Fels noch die Umstände wie Psyche, Physis und (Kletter-)Dauer einschätzen. Mit einer Schwierigkeit von 4+ UIAA und sechs Seillängen über 150 Höhenmeter, ist sie dennoch perfekt für einen lockeren Einstieg im alpinen Bereich.

Leider waren wir nicht die ersten am Berg, was wahrscheinlich auch an unserer anfänglichen Irrfahrt bei der Parkplatzsuche hing. Während wir am Einstig warteten, bis die beiden anderen Seilschaften auf ausreichendem Abstand waren, machten wir ein paar Bilder von der tollen Landschaft und aßen noch eine Kleinigkeit.

Dann ging es los. Benny stieg die erste Seillänge problemlos vor. Wir gingen dabei überschlagend vor, d.h. ich übernahm dann gerade die zweite Seillänge im Vorstieg. Der Fels machte einen kompakten Eindruck, war teilweise aber mit viel losem Geröll umgeben bzw. bedeckt. Kleinere Steinschläge waren kaum zu verhindern, bargen aber nie ein ernstes Gefährdungspotential.


Ich war absolut euphorisch und gedanklich ging mir die ganze Zeit „Da will ich hoch. Jetzt. Sofort!“ durch den Kopf. Nach der dritten Seillänge machten wir eine kurze Rast, da uns ein Bergführer mit einer recht unerfahrenen Touristin im Nacken saß. Das hohe Tempo dieser Seilschaft war klar der Erfahrung des Bergführers zuzuschreiben.

Dem Gegenüber stand unsere ‘Erfahrung‘ in Wänden mit einer Maximal höhe von 50 Metern, die zu 98 % aus Sandstein bestehen.
Während beide an uns vorbeizogen, genossen wir den Ausblick und testeten ein wenig das Gelände (wir hampelten eher herum), dennoch: immer gesichert.
Darauf legte ich sehr viel Wert.
Benny sah das eher...nicht so eng und begab sich gerne auch ungesichert an die ein oder andere Kante.
Als es dann weiter ging, machten wir schnell Fortschritte. Wir kraxelten in der fünften Seillänge durch einen sehr schönen Durchstieg, um anschließend zu der 6. ''Schlüsselseillänge'' zu gelangen. Benny stieg diese nach einigen Startschwierigkeiten zügig vor.
Oben angekommen standen wir endlich auf unserem ersten -echten- Gipfel. Zwar war dieser im Vergleich zu den umliegenden immer noch klein, aber hey, Gipfel ist Gipfel. Nicht zuletzt wegen dem klassischen Gipfelkreuz und -buch.
Wir trugen uns darin ein, genossen noch ein wenig die Aussicht und machten ein paar Bilder. Ich machte ungeplant sogar Bubu auf dem zusammengerollten Seil. Eigentlich recht bequem und nach einer Nacht mit wenig schlaf im Nacken bin ich einfach eingeschlafen.

Im Anschluss machten wir uns an den Abstieg. Dieser führte durch ein altes Schützengrabensystem des Ersten Weltkriegs. Dieses war Teil der Frontlinie, an der die österreichischen Kaisertruppen und die italienischen Gebirgsjäger, die Alpini, um die Vorherrschaft in Südtirol kämpften.
Nun irrten wir durch eben diese Gräben und das meine ich wörtlich. Wir hatten uns gnadenlos verfranzt. Zuerst kamen wir in einer Stellung raus, die an einem ca. 100 Meter hohen Abgrund lag. Schnell wäre es da zwar hinunter gegangen, jedoch nicht gerade in unserem Sinn, sprich lebendig.
Also kletterten wir auf die Gräben und versuchten uns einen Überblick zu verschaffen. Wir orientierten uns an der unten liegenden Straße und so hüpften wir über die Gräben hinweg.
Interessant war, dass viele Gräben mit Gletschereis gefüllt waren und ein Großteil der Stellungen war sogar begehbar. Durch dieses ''Sightseeing'' verlängerte sich der Abstieg wesentlich, war jedoch auch 'ne nette Abwechslung.

Am späten Nachmittag waren wir dann schließlich am Parkplatz angelangt und machten erst mal 'ne Brotzeit.
Im Anschluss daran machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Platz zum Nächtigen.
Diesen fanden wir am Falzaregopass. Wir entdeckten eine, von der Straße, nicht einsehbare Stelle die zudem soweit im Grünen lag, dass sich nachts keiner dorthin verirrt.
Wir verzichteten auf ein Zelt und legten lediglich die Isomatten und Schlafsäcke aus. Wir versuchten zügig einzuschlafen, da wir morgens schon wieder früh raus mussten. So sah es unser Plan zumindest vor. Ich konnte jedoch nicht schnell einschlafen, da ich am Horizont eine Gewitterfront sah und hörte...es war mehr als beunruhigend. Benny war da gelassener und schlief zackig ein.
Ich beobachtete die Wolken und als ich sah, dass diese sich von uns weg bewegten schlief ich dann auch irgendwann ein. In der Nacht wurde ich gegen 1 Uhr plötzlich wach. Wieso, konnte ich mir nicht zusammen reimen. Aber ich sah über mir einen Sternenhimmel, wie man ihn nur von Bildern aus abgelegenen Observatorien kennt. Kein Quadratzentimeter ohne Stern. Das war schon beeindruckend. Zudem herrschte eine Stille wie ich sie noch nie ''gehört'' hab. Rein gar nichts...bis auf ein Rascheln von dem ich möglicherweise zuvor bereits wach wurde...und es war hinter mir.... Vielleicht ein Murmeltier. Ich hab nur gehofft, es fängt nicht an mir am Gesicht herum zu kauen. Ich habe mich ‘rumgedreht und bin kurz darauf wieder eingenickt.
Schließlich brachten wir die Nacht gut hinter uns und packten um 6 Uhr alles zusammen (ohne Müll zu hinterlassen – selbstredend).

Tag 2


Unmittelbar darauf machten wir uns vom Flazaregopass aus auf zu den Cinque Torri. Am Fuße des Grande Torre fanden wir einen Parkplatz und frühstückten dort zunächst, getreu dem Motto “Ohne Mampf kein Kampf“.
Danach begannen wir den Zustieg zu der Route “Via delle Guide“, welche mit einem Schwierigkeitsgrad von 4+ UIAA bewertet ist. Der Aufstieg erfolgte mehrstufig, bot aber einige sehr schöne Passagen. Alles in allem ein klein wenig ausgesetzter als am Hexenstein, konnte man sich hier schnell durch die Route bewegen. Sicherungsmöglichkeiten boten sich reichlich, sowohl für die Hex-Klemmkeile, als auch für unsere Cams oder sogar einfachste Sicherungen über Bandschlingen.
Trotz der einfachen Umstände und bestem Wetter, brauchten wir einige Zeit um die 170 Höhenmeter der Route zu überwinden – wieder unserer mangelnden alpinen Erfahrung zu Schulde. Langweilig war es aber zu keiner Zeit.
Auf dem Gipfel angekommen, machten wir erst mal 'ne Brotzeit und genossen den wirklich genialen Ausblick. Die Cinque Torri befinden sich recht Zentral innerhalb des Massivs, wodurch man einen weitreichenden Blick auf die verschiedenen Höhen um den Falzaregopass herum bekommt. Unter anderem war der Hexenstein (vom Vortag) zu erspähen.
Während Benny wieder in Todessehnsucht am Abgrund tänzelte, leerte ich mein Lunchpaket.


Nach dem obligatorischen Gipfelbild, ging es an den Abstieg. Benny seilte sich zum ersten Band ab und suchte verzweifelt die im Topo angegebenen Bohrhaken. Zwar fand er einen, jedoch war dieser eher antiker Natur und eignete sich circa gar nicht für den weiteren Abstieg. In der Zeit seilte ich mich über das Band hinweg weiter hinab ab um zu checken, ob nicht noch ein weiteres Band vorhanden ist. Und siehe da: 10 Meter unterhalb, das Seil reichte gerade so, fand sich der beschriebene Standplatz – ausgestattet mit unglaublichen 4 Bohrhaken – ein Traum!
Nachdem wir uns dann eine weitere Seillänge hinunter warfen, befanden wir uns in einer Schlucht innerhalb des Grande Torre.
Schön war's, bis auf den Umstand, dass sich unser Seil unlösbar in einer Felsscharte verfangen hatte. Mindestens zwanzig Minuten versuchten wir verzweifelt das Seil zu lösen. Da kamen plötzlich zwei Schweden im  Abstieg hinunter. Benny bot sein bestes Englisch um unsere Lage zu schildern. Der Schwede verstand und "rettete" uns durch Lösen des verfangenen Seils.
Ja, die Schweden sind bergerprobte Wikingertypen (oder so). Wir bedankten uns lauthals und setzten den Abstieg fort. Dieser führte durch eine riesige Kluft innerhalb des Grande Torre. Ein sehr eindrucksvolles Ambiente: Ein 5 Meter breiter Weg, gesäumt von 70 Meter hohen Wänden. Über uns steckten riesige Felsbrocken fest, die zu breit für die Öffnung waren.
Es blieb zu hoffen, dass das auch weiterhin so anhielt. Zumindest bis wir darunter durch waren. Der Weg war voller Geröll und extrem unangenehm abzusteigen. Bei jedem Schritt löste sich ein kleiner Steinschlag. Obwohl das Gefälle gering war sicherten wir uns trotzdem über Seil, was jedoch eher Balsam für die Seele war, als dass es einen Sicherheitsaspekt darstellte. Die Bohrhaken waren krumm und dermaßen rostig, dass sie per Hand bewegt werden konnten – herrlich unsicher, aber besser als nichts, schätz‘ ich.
Schließlich erreichten wir den Ausstieg und seilten uns die letzte Seillänge ab.

Wir gingen zum Auto zurück und machten unsere gesponserten Rucksäcke für ein paar Aufnahmen fertig. Schließlich soll ja neben 'nem ordentlichen Bericht auch ein biss‘l schickes Bildmaterial mit rein.
Nach circa 15 Minuten Fußmarsch hatten wir 'ne schicke Ecke gefunden, an der wir ein paar Aufnahmen machten und uns 'was zu Mittag kochten – lecker chinesische Instant-Nudeln mit viel Scharf. Der Herr Darm bedankte sich später.
Nach einem kleinen Nickerchen, packten wir zusammen und verlegten zurück an unser Straßenschiff. 

Der restliche Tagesablauf wurde geplant. Zunächst stand ein ausgiebiges Bad im kleinen Gebirgsfluss „Bianco“ auf dem Programm. Dieser lag am Fuße der Clique Torri.
Viel gibt’s dazu nicht zu berichten außer, dass es sich anfühlte wie flüssiges Eis. Ich hab dabei eine eigene Badetechnik für solche Gewässer entwickelt:
Schnell nackt reinrennen - sich lauthals schreiend mit dem eiskalten Wasser einreiben und noch schneller wieder rausrennen. - Dauer: Circa 70 Sekunden.
Bei der Temperatur sind diese 70 Sekunden jedoch extrem lange!
Diese Technik empfiehlt sich jedoch nicht in Gebieten mit hohem Wandereraufkommen, Aufmerksamkeit ist garantiert. 

Im Anschluss fuhren wir das nächste Etappenziel Die Drei Zinnen (ital.: Tre Cime) an. Aufgrund des stark bestreiften Naturschutzgebiets, buchten wir uns auf einem nahe gelegenen Campingplatz mit Namen „Alla Baita“ ein. Mein eingerostetes italienisch funktionierte dabei noch recht gut.
Während Benny über Kopfweh klagend ins Zelt kroch, kochte ich mir noch edelste Tütennudeln zusammen und checkte den Topo des Normalwegs der Großen Zinne. Zwar nur mit 3+ UIAA bewertet, eigentlich eine Spazierroute (für Klettererverhältnisse), jedoch mit einer Länge von 450 Höhenmetern eine extrem lange Route die unsere Ausdauer wie nachfolgend beschrieben noch testen wird. Um 22:00 Uhr ging's dann auch für mich ins Bettchen. Aufstehen war schon für 0500 Bravo angesetzt.


Tag 3

-“Ring Ring Ring“- Verdammt! Es war soweit, ich hätte noch stundenlang schlafen können. Außerhalb des Zelts war's kühl, verschlafen fühlte es sich an wie minus Trölf Grad. Pfui.
Dafür war das Wetter traumhaft: Der Himmel war Wolkenfrei, eine leichte Brise und ein epischer Sonnenaufgang untermalten die Szenerie.
Perfekte Voraussetzungen also!
Schnell Frühstücken, Ausrüstung vorbereiten und als erste an der Schranke zur Höhenstraße Panoramica zu sein - das war das Ziel.
Um halb 6 ging es dann Richtung Rifugio Auronzo, wo wir parkten und erfreut feststellten, dass wir die ersten waren. Beste Voraussetzungen also.
Wir packten uns ausreichend Verpflegung ein und passten die Bekleidung noch an. Es war im Schatten der Zinnen doch recht kalt. Außerdem sollte immer eine Kleidungsreserve am Mann sein. Gerade an den Zinnen sind die Wetterwechsel oft schnell und nicht immer vorher zusehen.

Der Zustieg erfolgte zunächst über einen Wanderweg am Fuße der Zinnen. Der Ausblick war der Wahnsinn. Die kleine Stadt Auronzo lag verschlafen im schattigen Tal. Uns knallte nach 500 Metern die Sonne gnadenlos ins Gesicht und ruckzuck wurde es unter der Kleidung bullig warm.

Der eigentliche Zustieg zum Einstieg der Route begann hinter einer kleinen Kapelle. Der Weg führte uns steil und in Serpentinen hinauf.

Unsere irreführende Odysee sollte schon früh beginnen und zwar mit der Suche nach dem korrekten Einstieg. Dieser lag inmitten eines Gletschers zwischen Großer und Kleiner Zinne. Da wir uns nicht einig waren, stieg ich weiter den Gletscher hinauf nur um festzustellen, dass da nicht der beschriebene Einstieg sein kann. Super, und schon haben wir Zeit verschwendet.
Der Einstieg erfolgte über 3 Seillängen im 1. und 2. Grad, welche wir nach anfänglichem Zögern ungesichert bestiegen. Der Zeit-Nutzen Aufwand hätte sich hier nicht gerechnet. Während wir uns im Fels orientierten wurden wir sogleich von einer Seilschaft überholt, geführt von einem erfahrenen Bergführer, wie ich in einem kurzen Gespräch herausfand. Auf die Frage ob diese schnell vorankommen werden, meinte der Bergführer in feinstem südtiroler Dialekt „Ja aber sicher, ich war schon hunderte Mal dort droben.“ Soviel dazu, dachte ich mir.
Wir überließen ihnen freiwillig den Vortritt und versuchten dran zu bleiben um den Zeitverlust durch die Routensuche zu minimieren. Das gelang uns für Sage und Schreibe ganze 3 Seillängen.

Als wir am ersten Schotterband ankamen, war die Truppe schon außer Sichtweite.
Also hieß es Topo raus und suchen. Netterweise fanden wir einige Steinmänner die uns den Weg wiesen - dachten wir. Nach mehreren Fehleinschätzungen bezüglich der Routen(-einstiege), sowie (nur im Nachhinein betrachtet) amüsanter Zitate von Benny : „Hier muss es lang gehen!“, oder bei einem anderen vermeintlichen Einstieg: „Das kann nur hier sein!“ nach knapp 1½ Stunden Suche und einer kleinen, recht unnötigen FreeSolo Tour meinerseits (Asche auf mein Haupt – ich wollte so einen Käse eigentlich lassen), mussten wir feststellen, dass der Maßstab des Topos doch weitaus anders ausfiel als von uns gedeutet und sehr unpräzise war.
Wir trafen auf dem Rückweg zu unserem letzten Standplatz auf eine weitere Seilschaft, die uns bereits überholte. Nach kurzer Rücksprache mit diesen, waren wir dann wieder auf Kurs.

Nach durchstiegen eines Kamins, kamen wir auf dem eigentlichen Schotterband an. Hier pausierten wir kurz und aßen 'ne Kleinigkeit. Dann führte uns eine weitere Seillänge zu dem größten Kamin und der eigentlichen (jetzt kommt‘s) Schlüsselstelle des Normalwegs. Auf dem folgenden Standplatz trafen wir dann wieder auf die erste Seilschaft des Tages, die bereits wieder auf dem Weg nach unten war...Mann das war schon peinlich. Ein bisschen zumindest. Aber die hatten ja auch 'nen Bergführer der wohl auch, im Gegensatz zu uns, über einen funktionierenden Orientierungssinn verfügte.

Nach ein wenig unterhaltsamem Smalltalk verabschiedeten wir uns und machten uns weiter Richtung Gipfel auf. Wir mussten uns langsam beeilen, denn wir hatten sehr viel Zeit verloren und waren spät dran. Laut Topo waren es nur noch 2 Seillängen bis zum Ringband. Klingt easy - vom Klettern her war's das auch, aber in meiner unendlichen Weisheit hab ich es geschafft, uns sogar hier auf den falschen Weg zu bringen - inklusive weiteren Zeitverlusts. Ja die Orientierung im Fels einer solchen Dimension ist nicht ansatzweise so einfach wie erdacht.

Schließlich kamen wir auf dem Ringband unbeschadet an und machten uns in östlicher Richtung auf um den Routenfortgang zu finden. Es blieben lediglich 4 Seillängen über. Aber die kamen uns wir 40 vor.
Es war schon später Nachmittag, als wir auf dem Ringband standen. In der Zeit wären erfahrene Seilschaften schon zweimal hoch und runter.

Wir waren körperlich schon angeschlagen und nervlich erst recht. Das ständige Verfranzen kostet Kraft und Nerven. Letztere waren am meisten in Mitleidenschaft gezogen worden.
Aber aufgegeben wird nicht. Nicht so kurz vor'm Gipfel! Also Zähne zusammen beißen und weiter hieß es.

Der restliche Weg Richtung Gipfel war zum Glück mehr oder weniger eindeutig und wir verliefen uns daher nicht mehr. Dann konnten wir das Gipfelkreuz erspähen und schon war die Moral wieder hergestellt. Zackig ging's dann grinsend zum Gipfel. Angekommen machten sich Freude und Erleichterung breit. Eine einfache Tour, die wir uns sehr kompliziert ausgestaltet hatten, war quasi geschafft.
Es folgte eine längere Pause mit einer ausgiebigen Brotzeit und der Eintragung in das Gipfelbuch. Der Ausblick von dort oben war Wahnsinn und unbeschreiblich. Das Wetter war zum Glück auf unserer Seite und begünstigte die längere Pause - wir hatten den Tag wirklich gut ausgewählt. Zudem waren wir die Einzigen auf dem Gipfel.

Nach der Pause gingen wir wehmütig an den Abstieg. Wir mussten uns jetzt nämlich wirklich beeilen. Es war schon früher Abend und die Panoramica schließt regulär um 21:00 Uhr.

Da wir jetzt den Weg kannten, ging es Schlag auf Schlag mit dem Abstieg. Reibungslos seilten wir uns ab und fädelten uns in die Standplätze ein. Immerhin verlief das jetzt absolut unproblematisch.

In den unteren Seillängen angekommen setzte schon langsam die Abendröte ein, jetzt mussten wir Hackengas geben.
Der Abstieg zu Fuß verlief daher bereits in “Gelände angepasstem Laufschritt“ – kombiniert mit einigen unbeabsichtigten Rutschpartien auf dem Hintern (blaue Flecken inklusive).

Wir erreichten noch zeitig das Auto und verließen das Areal um 20:45 Uhr. Fast 'ne Punktlandung. Da wir fertig waren und nicht mehr groß durch die Lande irren wollten, fuhren wir den Campingplatz des Vorabends an und ich besorgte uns erneut einen netten Platz zum schlafen.

So ging unsere unendliche Geschichte doch zu Ende. Ich muss sagen, dass das aber auch sehr lehrreich war. Die gemachten Fehler werden bei zukünftigen Touren berücksichtigt und (hoffentlich) vermieden.

Der nächste Tag war als Pause eingeplant und daher ging es nach dem Abendessen, mit einer doppelten Portion Nudeln, ohne Wecker zu stellen in die Heia.

Tag 4

Wir haben echt lange geschlafen, das tat aber auch unglaublich gut. Am frühen Mittag kroch ich langsam aus dem Zelt. Benny war schon auf den Beinen und am frühstücken. Ich machte Kaffee und wir quatschten ein wenig.
Nach einiger Zeit in der Mittagssonne bereiteten wir die Ausrüstung nach, denn wir hatten am Vorabend einfach alles in den Kofferraum gefeuert.


Als das gemacht war, packten wir zusammen und fuhren Richtung Cortina d'Ampezzo. Auf dem Plan stand ein Treffen mit Nives Milani, einer Radiomoderatorin des lokalen Senders  Radio Cortina.
Nives ist eine gute Bekannte meines Vaters und hält mit diesem schon länger schriftlichen Kontakt. Als wir uns nach Südtirol aufmachten, wurden wir von Nives eingeladen mal vorbei zu schauen. Da es ganz gut in unseren Zeitplan passte, beschlossen wir der Einladung zu folgen und statteten ihr einen Besuch ab.

Wir suchten also den Radiosender auf und wurden herzlich von Nives begrüßt. Uns erwartete die typische italienische Gastfreundschaft und ich musste meine Sprachkenntnisse wieder sehr fordern, nach einiger Zeit kam ich aber langsam wieder rein.

So unterhielten wir uns ein wenig in den Räumen des Senders und wir erfuhren einige interessante Dinge bezüglich der Kletterei im Bereich von Cortina.
Zum Sendeschluss machte Nives für uns eine Radiodurchsage und erzählte über den deutschen Besuch in ihrem Sender. Leider reichte mein Italienisch zu dem Zeitpunkt nicht für das Interview aus, das sie mir angeboten hatte. An der Sprachfertigkeit wird aber definitiv noch gearbeitet, sobald mein Studium beendet ist.
Anschließend lud sie uns zum Essen in die kleine Osteria ihres Vertrauens ein. Wir aßen gemeinsam und unterhielten uns, ich dolmetschte für Benny.

Im Anschluss fuhren wir Nives noch nach Hause - das Mindeste um uns zu bedanken.
Da es erst Nachmittag war, fuhren wir zu einem nahegelegenen See und legten uns faul in die pralle Sonne. Ich schlief direkt ein, zum Glück mit Sonnencreme auf dem Rücken...
Leider nicht ausreichend wie sich dann bestätigte, denn unangenehm war's nachher allemal.

Am frühen Abend ging es dann zurück zum Falzaregopass. Wie ich von Nives erfahren hatte, konnte man dort an einer bestimmten Stelle durchaus mit dem Zelt nächtigen.
Während wir unser Abendessen zusammenrührten, stieg ein Zug italienischer Gebirgsjäger von einer Übung am Hexenstein ab - lauter ernste Gesichter. Ein krasser Gegensatz zu unserem direkten Nachbar: Ein Murmeltier, das fleißig um seinen Bau huschte und fraß.

Während ich Tagebuch führte, rannte Benny durch die Landschaft und machte zig Bilder von Gott und der Welt.
Später am Abend bauten wir unser Zelt in der Dämmerung auf und legten uns hin.

Tag 5 und frühzeitige Rückfahrt

Wir wurden früh geweckt – von Rotorenlärm. Der erste verpennte Gedanke von mir und Benny war: „Kacke die Bergwacht kommt, um uns wegen illegalem Zelten hochzunehmen“.
Aber es war nur ein Transportheli, der Güter vom benachbarten Parkplatz zu einer Hütte auf dem großen Laguazoi brachte.
Puh, Glück gehabt. Und los ging‘s mit – wer hätt‘s gedacht – einem, von ‘Rotorengeschrei‘ untermalten, Frühstück.

Im Anschluss standen die Falzaregotürme auf dem Programm - leichte Kletterei im Grad 4+ UIAA.
Am Parkplatz angekommen schon die erste ernüchternde Feststellung: Mindestens 3-4 Seilschaften mit dem gleichen Ziel. Benny und ich einigten uns daher gleich darauf, den kleinen Turm wegzulassen und direkt mit dem Großen anzufangen, da wir so vorerst unsere Ruhe haben würden.


Nach einem erneut verwirrenden Aufstieg, der uns dank Irrwegen wieder massiv Zeit kostete, erreichten wir den Einstieg des Großen Turms. Wir beeilten uns mit dem Einsteigen und legten zügig los.
Es lief auch ganz gut, bis ich mir in der 3. Seillänge eine Sehne in der Handwurzel derart zerrte, dass ich nicht mehr richtig zupacken konnte. Ab da ging's nur mehr schleppend voran. Nach einem recht komplizierten Standplatzbau, übernahm Benny dann die Führung. Ab der 4. Länge war es dann wieder leichtes Spiel und wir kamen nach einem Kommunikationsproblem doch noch Heil auf dem Gipfel an. Ich war jedoch aufgrund meiner engen Schuhe, welche meine Zehen  quasi seit 3 Tagen schmerzlich zusammendrückten, mehr als nur ein wenig gereizt, und froh die Teile endlich ausziehen zu können.

Wir machten dann beide ein obligatorisches Gipfelnickerchen und danach war ich dann auch wieder etwas entspannter. Ein Hoch auf das kleine Höhennickerchen. Jedoch war währenddessen der Himmel zugezogen. Dunkle Regenwolken hingen über uns. Ab und zu ein Sonnenschein, das war's dann aber schon.
Wenigstens hatten wir bis dahin verdammt viel Glück mit dem Wetter gehabt. Wir beeilten uns daher mit dem Abstieg, welcher ungesichert über eine Route im 1. bzw 2. Grad erfolgte.
Wir mussten darauf verzichten, da es nicht gut aussah und solche Wetterumschwünge gefährlich werden können - besonders oberhalb der Baumgrenze. Wir waren fast ohne Schutz dem Wetter ausgesetzt. Auf halbem Abstieg begann es dann auch langsam an zu regnen.
Ich kontaktierte währenddessen das elterliche Wetterzentrum im fernen Sankt Wendel und bekam prompt die Meldung: Regen und Gewitter am frühen Mittag. - Oha, jetzt aber Gas geben - Als wir dann am Auto ankamen war es kurz aufgelockert. Dies nutzten wir, um noch schnell ein Bad in den oberen Ausläufern des Bianco zu nehmen. Kurz darauf zog es wieder zu und diesmal strömten die Schauer vom Himmel herunter.

An der Stelle brachen wir die Tour dann vorzeitig ab. Es sollte die nächsten Tage laut Wetterbericht keine Änderung in Sicht sein und einen Todesdrang verspürte ich nicht (bei Benny bin ich mir nicht so sicher).
Auf dem Rückweg machten wir noch an einem Supermarkt halt und versorgten uns mit italienischen Köstlichkeiten wie Salami, Bier und Aranciata – lecker.

Der Rückweg verlief weitestgehend ohne besondere Vorkommnisse. Wir fuhren an Innsbruck vorbei und ich muss sagen die Stadt ist ziemlich genial gelegen. Vielleicht ein Ziel zum Auswandern? In ferner Zukunft wohl eher.

Kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze gerieten wir noch in eine Kontrolle der bayrischen Kollegen (als kurze Erläuterung: Benny und ich sind bei demselben Arbeitgeber angestellt, wie die netten Herren vor unserem Auto ;) )

Ich zitiere einen Auszug:

Beamter: „Wo kommen Sie denn gerade her?“
Benny (sieht mich an): „Öh, wo kommen wir gerade her??“
Ich lache nur, der Beamte schaut Benny an und fragt: „ Aus dem Urlaub vielleicht?“
Benny: „Ja, ja aus dem Urlaub genau, Dolomiten, Cortina oder so…“
Der Beamte hatte wohl keinen Bock mehr auf uns und sagte nur noch: „Na dann fahren 'se mal weiter.“
Ich hab mich auf'm Beifahrersitz nicht mehr eingekriegt...
Ansonsten war ein nächtlicher Zwischenstop beim gelben M eine der wenigen Pausen die wir machten.
Schließlich setzte mich Benny um 02:30 Uhr zu Hause ab. Ausräumen, ein kurzes Ciao und schon lag ich nach einer ausgiebigen Dusche (die erste richtige nach fast einer Woche) in meinem (plötzlich) extrem gemütlichen Bett.

Das war sie also, die Dolomiten Tour. Die Erste von hoffentlich vielen weiteren, die bald folgen. Zudem war sie extrem lehrreich und schrankenweisend. Zumindest ziehe ich dieses Fazit für mich.
Auf jeden Fall kann ich es nicht erwarten, bald wieder vertikal zu starten und darüber zu berichten.

In diesem Sinne: Immer „Augen zu und Hoch!“

by Jerome S.