Dolomiten 2013 | Tourenbericht
(12.07. - 17.07.2013)
by Ben W.
Eine Woche anspruchsvolle Kletterei in einigen der schönsten und berühmtesten Routen der Dolomiten. Jeden Tag von morgens bis abends in der Wand... Routen bis zum 6. Schwierigkeitsgrad (UIAA) und bis zu 500m Länge... Das war unser Vorhaben!
Hierfür trainierten wir bereits einige Wochen zuvor - nahezu jeden Tag standen stramme Lauf- und Haltekraft- Trainingseinheiten auf dem Programm um die Ausdauer und Belastungsfähigkeit auf ein ausreichendes Level zu bringen. Zudem versuchten wir mindestens 2 Mal die Woche ein gesondertes Klettertraining einzuschieben.
Am 12. Juli ging es dann endlich los. Wir fuhren die etwa 800km von Saarbrücken nach Cortina d'Ampezzo über Nacht und waren am Morgen des 13. Juli pünktlich zum Sonnenaufgang auf dem Falzaregopass angelangt.
Unsere erste geplante Route war die Südkante des 2477m hohen Hexensteins (IV+ UIAA). Die Route besteht aus 6 Seillängen und überwindet hierbei 150 Höhenmeter. Sie ist eine der klassischen Einstiegsrouten im alpinen Mehrseillängen-Bereich.
Bei herrlichstem Wetter stiegen wir mit einer Mischung aus Respekt und Vorfreude in die Wand ein. Die Kletterei in dem festen Dolomitgestein war ein Hochgenuss... die anfängliche Nervosität verflog schnell und wich einem Gefühl von Freiheit und purer Freude am Klettern. Die Route ist sehr abwechslungsreich und bietet trotz ihrer Kürze alles von Wand- über Riss- bis zu Kaminkletterei.
Nach etwa 2,5 Stunden Kletterei erreichten wir glücklich unseren ersten gemeinsamen "richtigen" Gipfel. Bisher waren wir nur in der Südpfalz zusammen geklettert. Nach einer ausgiebigen Gipfelrast machten wir uns an den Abstieg über den Nordwestgrat.
Am Abend bestaunten wir aus dem Schlafsack heraus ein Gewitter, welches uns jedoch nicht gefährlich nah kam... Wir biwakierten unweit der Straße auf dem Valparolapass.
Das schöne Wetter des ersten Tages sollte die gesamte Woche anhalten - dadurch wurden die besonderen Eindrücke noch verstärkt.
An unserem zweiten Klettertag standen die "Via delle Guide" (IV) am Torre Grande-Westgipfel und die Südwand des Torre Grande-Südgipfels (V+) an den CINQUE TORRI auf dem Programm.
Bis auf einige kleine Verwirrungen beim Abstieg verlief auch der zweite Tag absolut nach Plan, allerdings spürten wir zunehmend die Folgen der ungewohnten Dauerbelastung.
Da wir für den nächsten Tag die längste und wohl prominenteste Route geplant hatten, fuhren wir bereits am Abend in Richtung Drei Zinnen und übernachteten unmittelbar vor der kostenpflichtigen Mautstraße auf dem Campingplatz ALLA BAITA. Wir wollten unter allen Umständen die erste Seilschaft sein, die in die Südwand (15 Seillängen; 500 Höhenmeter) der Großen Zinne (2998m) einsteigt. Daher standen wir bereits um 04:30 Uhr auf und passierten die Mautstelle sobald diese gegen 05:00 Uhr öffnete. Wir begannen den Zustieg bei Sonnenaufgang vom Rifugio Auronzo. Nachdem wir den Einstieg zwischen Kleiner und Großer Zinne gefunden hatten konnte es zur Sache gehen. Für die Route sind laut Kletterführer etwa 5 Stunden veranschlagt. Doch heute sollten wir eine wichtige Lektion lernen: Trotz des recht detaillierten Topos mussten wir feststellen das die Routenfindung an Bergen dieser Dimension in hochalpinem Gelände alles andere als einfach ist. Während wir es aus der Pfalz gewohnt waren den gesamten Routenverlauf vom Boden aus überblicken zu können, stellten wir nun ernüchternd fest, dass es oftmals recht schwer ist den richtigen Routenverlauf zu erkennen. Auf diese Weise gelang uns auch das Kunststück etwa 3 Stunden zu vergeuden, indem wir in eine falsche Wand einstiegen. Erst ein für uns unüberwindbarer Überhang wies uns auf diesen Fehler hin. In der Folge traten wir enttäuscht den Rückzug an und kletterten ab. Zu unserem Glück sahen wir weiter unten eine Seilschaft in der "richtigen" Route und hefteten uns an deren Fährten.
Die permanente Sonneneinstrahlung, die Dauerbelastung und die Erkenntnis das wir etwas knapp mit den Wasservorräten kalkuliert hatten sorgte schließlich dafür, dass wir gegen 17:00 Uhr!!! völlig erschöpft auf dem Gipfel der Großen Zinne standen. Doch trotz des Wissens darüber, dass wir erst die Hälfte des Weges hinter uns hatten, genossen wir was an so schönen Tagen nur wenigen vergönnt ist - wir hatten den Gipfel für uns allein!
Doch in Anbetracht der stark fortgeschrittenen Zeit beschlossen wir nach 20 Minuten uns zügig und doch hochkonzentriert an den Abstieg zu machen. Wir entschieden uns dafür nur die wirklich schweren Seillängen abzuseilen und kraxelten ansonsten ungesichert bergab. Uns war absolut klar, dass die Wahrscheinlichkeit einen Fehler zu machen aufgrund unserer Erschöpfung stieg und ein solcher Fehler meistens einen Absturz zur Folge gehabt hätte dessen Ausgang wir lieber ausblendeten. Doch alles ging gut - wir mobilisierten die letzten Reserven für einen schnellen, effektiven und disziplinierten Abstieg von der Großen Zinne. Bei Sonnenuntergang erreichten wir das Rifugio Auronzo... Punktlandung!
Wir machten uns keine Illusionen... der nächste Tag würde ein wohlverdienter Ruhetag werden. Wir besuchten eine Bekannte von Jerome's Vater, die Radiomoderatorin Nives (Radio Cortina), welche uns mit der typischen italienischen Gastfreundlichkeit sofort zum Essen einlud und uns spannende Informationen über die Region gab. Den Rest des ebenfalls sonnigen Tages verbrachten wir am Lago di San Vito, östlich von Cortina d'Ampezzo. Gegen Abend ging es zurück auf den Falzaregopass...
An unserem 5. Tag in den Dolomiten stand eine Kombination der "Diretta Ghedina" (VI-) am Torre Piccola di Falzarego und die Westkante des Torre Grande di Falzarego (IV) an den Falzaregotürmen (2500m) auf dem Kletterprogramm. Bei dieser Unternehmung lief von Anfang an alles schief. Zuerst fanden wir den Routeneinstieg nicht und verschwendeten dadurch kostbare Zeit... dadurch waren wir nicht die ersten in der Wand und mussten warten und waren erhöhtem Steinschlag ausgesetzt. Ausserdem taten wir uns unverständlicherweise extrem schwer damit die Standplatzhaken ausfindig zu machen. Zu allem Überfluss zerrte sich Jerome in der Schlüsselseillänge des Großen Falzaregoturms die linke Hand und konnte vorerst nicht mehr vorsteigen... später verletzte er sich zudem noch am Fuß, wir erreichten am Nachmittag genervt und gereizt den Gipfel des Großen Falzaregoturms und hatten erstmals mit Spannungen zwischen uns umzugehen. Nachdem wir auf dem zuerst noch sonnigen Gipfel eingeschlafen waren, wurde uns bei unserem Erwachen klar, dass erstmals auch ein Wetterumschwung nahte. Nachdem wir uns ausgesprochen hatten und die gereizte Grundstimmung dadurch beseitigt war, machten wir uns an den Abstieg. Erneut mussten wir uns entscheiden: Seltsamerweise waren auf der Abstiegsroute mehr Bohrhaken im Fels anzutreffen als auf unserer Aufstiegsroute (im Kletterführer wurde jedoch mit keinem Wort ABSEILEN erwähnt). Da es nun erstmals zu Regnen begann und der Wetterbericht für heute einen Umschwung ankündigte, beschlossen wir erneut ungesichert abzusteigen um Zeit zu sparen. Es lässt sich sicherlich über Sinn und Unsinn dieses Vorgehens streiten... wir trauten es uns und unseren Fähigkeiten zu und gingen das Risiko zugunsten des Zeitgewinns und des drohenden Wetterumschwungs ein. Erneut ging alles ohne größere Fehler gut. Auf den ersten 100 Höhenmetern beim Abstieg wären wir wohl selten weniger als 10 Meter tief gestürzt, bevor wir auf die Felsen aufgeschlagen wären. Ebenfalls eine neue Erfahrung: Wenn man tagelang in der Vertikalen unterwegs ist, verliert man schnell den Bezug zu Größenverhältnissen bzw. der Steilheit einer Wand beim Abstieg.
Die Klettertour in den Dolomiten war für Jerome und mich ein sehr prägendes und lohnendes Erlebnis. Es war die bisher eindrucksvollste Kletterei für uns in einer der spektakulärsten Regionen der Alpen!
by Ben W.