Schweden

Sarek & Stora Sjöfallet Nationalpark: Trekking in Schweden

Beim Trekking in der Wildnis muss man mit allem rechnen – nur nicht damit, dass alles nach Plan verläuft. Im nordschwedischen Sarek-Nationalpark in Lappland erleben Benny und Kai abenteuerliche Strapazen – und stehen kurz davor, ihre Tour abzubrechen.

Frisch zurück von meinem letzten Outdoorabenteuer in Kanada, berichtete ich meinem Freund Kai über meine Erlebnisse fernab der Zivilisation. Von Neugier und Abenteuerlust gepackt, beschlossen wir, eine gemeinsame Tour auf die Beine zu stellen. Es wurden potenzielle Ziele ins Auge gefasst und diskutiert. Schnell wurden wir uns einig, dass unsere erste gemeinsame Tour in Skandinavien, der europäischen Outdoorregion schlechthin, stattfinden sollte.

by Ben W.

Zwei Wochen Abenteuer im Sarek-Nationalpark in Lappland

Oft wird die Gegend um den Sarek-Nationalpark im äußersten Norden von Schweden auch die letzte Wildnis Europas genannt. Zu Beginn unserer Tourenplanung noch skeptisch hinsichtlich dieser vielversprechenden Bezeichnung, fanden wir nach intensiver Recherche heraus, dass es im Sarek-Nationalpark in der Tat keinerlei markierte Wege gibt und der Park nur schwer zugänglich ist. Dies entsprach genau unseren Vorstellungen. Wir entschlossen uns also dazu, für zwei Wochen quer durch die alpine Gebirgslandschaft des Sarek in Lappland zu wandern – gleichzeitig die regenreichste Gegend Schwedens. Da wir im Juli anreisten, mussten wir uns vorab mit dem nicht zu vernachlässigenden Thema Moskitos auseinandersetzen.

Gewappnet gegen Moskitos

Sowohl im Internet als auch in der Fachliteratur wird eindringlich darauf hingewiesen, dass die Moskitoplage in Lappland in den Sommermonaten zu einer Last werden kann, die man nicht unterschätzen sollte. Das Tragen eines Moskitonetzes wird als absolute Notwendigkeit geschildert. Auch solle man nicht auf Schutzmittel aus Deutschland vertrauen, da diese regelrecht wirkungslos seien. Wir stießen vermehrt auf den Tipp, sich mit Schutzmitteln aus der Region einzudecken und lasen durchweg von guten Erfahrungen mit diesen Mittelchen. Allen voran wurde eine Substanz namens “Dschungel olja” als Wunderwaffe angepriesen. Wir berücksichtigten all diese Hinweise und statteten uns nach und nach mit Ausrüstung und Nahrungsmitteln für die zweiwöchige Tour aus. Voller Vorfreude und Tatendrang brachen wir endlich zu unserem ersten gemeinsamen und doch einsamen Abenteuer auf.

Mit dem Auto nach Lappland

Die Anfahrt war bereits ein kleines Abenteuer. Wir reisten aus dem Saarland mit dem Pkw an – ein Roadtrip der Superlative. Mit 34 Stunden reiner Fahrzeit und knapp 3.000 Kilometern eine Belastungsprobe, insbesondere da wir lediglich eine Übernachtung auf halbem Wege in der schönen Stadt Linköping einlegten. Je weiter wir gen Norden fuhren, desto weiter entfernten wir uns von der Zivilisation. Dies wurde uns so richtig bewusst, als wir ab einem gewissen Zeitpunkt mehr Rentiere als Fahrzeuge zu Gesicht bekamen. Diese liefen völlig unbeeindruckt auf den wenigen Straßen umher – ein urkomisches Bild und hierzulande leider undenkbar. Nach einer schier endlosen Odyssee erreichten wir in den frühen Morgenstunden den kleinen Ort Kvikkjokk im nordschwedischen Lappland, welcher der Ausgangspunkt des eigentlichen Abenteuers werden sollte.

Auf dem Parkplatz wurden wir von einem Empfangskomitee in Form eines Moskitoschwarmes begrüßt, der sich durch außergewöhnliche Aggressivität auszeichnete. Wir ignorierten dieses böse Omen, rieben uns mit den zuvor erstandenen Zaubermittelchen ein und streiften die Moskitonetze, Handschuhe und Jacken über und machten uns mit unseren 27 Kilogramm schweren Trekkingrucksäcken auf in den weglosen Sarek.

Start unserer Trekking-Tour im Sarek-Nationalpark

Wir merkten sehr schnell, dass sich die Verhältnisse nicht ganz mit unseren Erwartungen deckten. Die Flüsse führten weitaus mehr Wasser als erwartet, die Wälder in den Tälern waren so dicht, dass ein Vorankommen äußerst beschwerlich war und die Moskitos… naja, sagen wir mal so: wir redeten uns ein, es könne nicht noch schlimmer werden. Wir sollten jedoch schnell eines Besseren belehrt werden:

Bei 25 Grad Celsius mussten wir unsere Regenjacken, Moskitonetze und Handschuhe tragen, permanent folgte uns eine Wolke von Moskitos. An Pausen war nicht zu denken. Sobald wir stehenblieben, stürzten sich die Blutsauger auf uns und stachen teilweise sogar durch die Regenjacke. Die “Ruhepausen“ sahen dementsprechend so aus, dass wir die schweren Rucksäcke für wenige Minuten ablegten und dafür in dreifacher Geschwindigkeit hin- und herlaufen mussten, um nicht gestochen zu werden. So ging es den ganzen Tag von 07:00 Uhr bis zum Nachmittag.

Vollkommen erschöpft suchten wir in den dichten Wäldern nach einem passenden Platz für unser Zelt. Endlich auf einer Lichtung angelangt, bauten wir das Zelt in Rekordzeit auf, sprangen hinein und verschlossen den Eingang. Nachdem wir alle Moskitos erschlagen hatten, die mit in das Zeltinnere gelangt waren, konnten wir uns zum ersten Mal an diesem Tag entspannen. Trotz unserer Erfahrung beim Zelten, haben wir noch nie eine solche Erleichterung über den Aufenthalt in einem Zelt verspürt. Wir schliefen sofort vor Erschöpfung ein und wachten erst am Abend wieder auf. Nun war es an der Zeit Kriegsrat zu halten. Uns war beiden klar, dass es so nicht weitergehen konnte…

Planänderung: Zurück nach Kvikkjokk

Die Stimmung war mittlerweile auf dem absoluten Tiefpunkt. Wir sprachen kaum mehr miteinander und jeder war einfach nur enttäuscht und gereizt. Schließlich brachten wir das Unausweichliche zur Sprache: Niemand von uns wollte sich das noch weiter antun. Wir wussten, dass es kein Spaziergang werden würde, aber die Moskitos machten unsere Trekking-Tour schier unerträglich.

Von einer Anhöhe schätzen wir die vor uns liegende Entfernung: noch wenigstens drei Tage und eine weitere, noch größere Sumpfebene lag zwischen uns und den ersehnten Bergen. Völlig entkräftet bauten wir das Zelt auf und ruhten uns den Rest des Tages aus. Wir diskutierten unsere Optionen und zogen in unserer Verzweiflung sogar ernsthaft in Betracht, zurückzufahren und stattdessen in den Alpen Bergsteigen zu gehen. Doch zum Glück studierten wir die Landkarte und fanden schließlich circa 100 Kilometer weiter nördlich eine Straße, die sehr dicht an ein Gebirge reichte. Wir beschlossen also noch in der Nacht den Rückmarsch zum Auto anzutreten und dort unser Glück zu versuchen. Und so ging es in einem Gewaltmarsch zurück zur Fjällstation in Kvikkjokk. Wir blickten nicht zurück, warfen unser Gepäck ins Auto und fuhren weiter gen Norden. Die Bilanz unseres Sarek-Abenteuers: Kai 61 Stiche, Benny 53 Stiche. 

Der Stora Sjöfallet Nationalpark

An einem etwas höher gelegenen und weitgehend moskitofreien See beschlossen wir, uns einen Ruhetag zu gönnen, um uns von den Strapazen des Sareks zu erholen. Nach vier Tagen Schwitzen war es ein absolutes Highlight, in den kühlen See zu springen. Wir verbrachten die Zeit mit Angeln und Schwimmen. Und schon bald wurde unser Unternehmungsgeist wieder geweckt. Also brachen wir tags darauf zum Stora Sjöfallet Nationalpark auf.

Als wir das Auto verließen, stellten wir erleichtert fest, dass es hier in etwas höheren Lagen scheinbar kaum Moskitos gab. Und so begannen wir mit dem schweißtreibenden Aufstieg ins Gebirge des Stora Sjöfallet Nationalparks. In atemberaubender Landschaft ging es immer höher hinauf – so hatten wir uns das vorgestellt! Endlich konnten wir unseren Kocher auspacken und Fotos machen, ohne völlig zerstochen zu werden.

Da wir unsere Tour eigentlich im Sarek Nationalpark geplant hatten, mussten wir nun mit der Routenwahl improvisieren. Wir hatten zwar eine topografische Karte der Region dabei, beschlossen aber, mehr oder weniger einfach darauf los zu marschieren. Schließlich hatte uns die Erfahrungen gelehrt, dass die beste Vorbereitung nichts bringt, wenn die Verhältnisse sich vor Ort anders darstellen.
Bereits am zweiten Tag befanden wir uns weit oberhalb der Baumgrenze, die Szenerie glich einer Mondlandschaft. Unsere Wasservorräte waren aufgebraucht und wir konnten keinen Bach ausfindig machen. Da wir jedoch weiter aufsteigen wollten, mussten wir kreativ werden: Wir schnitten einen Plastiksack auf und spannten diesen über eine Kuhle im Boden. Den Rand beschwerten wir mit Steinen. So sammelten wir Regenwasser, das in Schweden glücklicherweise keine Mangelware ist, und konnten unsere Wasservorräte wieder auffüllen.

Am vierten Tag in den Bergen zeigte sich das Wetter erstmals von seiner schlechten Seite. Es zog ein beachtlicher Sturm auf. Das Gestänge unseres neuen Zelts wurde dabei stark gebogen, aber das Zelt überstand den Härtetest mit einigen wenigen Rissen in der Zeltwand. Zu dem anhaltenden Sturm gesellte sich gegen Abend ein ordentliches Gewitter. Wir suchten Schutz in einer Steinhöhle und verharrten dort, bis sich die Situation etwas entspannt hatte. Das war das Wetter, das wir aufgrund der gelesenen Erfahrungsberichte erwartet hatten.

In den Bergen nördlich des Akkajaure-Stausees im Stora Sjöfallet Nationalpark erlebten wir einige ereignisreiche Tage und die Erinnerung an die Entbehrungen des Sarek verblassten schnell.

Fazit unserer Trekking-Tour in Schweden

Im Rückblick war unsere Trekking-Tour ein voller Erfolg. Es war die erste Bewährungsprobe für uns beide als Team, denn man kann vorher nie wissen, ob es auch in extrem belastenden Situationen noch funktioniert. Der Schlüssel für eine positive Erfahrung ist eine stets optimistische Sichtweise.
Wenn man sich nach einer Tour sagen kann: Die vielen kleinen positiven Dinge überwiegen die negativen Erlebnisse! Dann hat sich die Tour gelohnt. Wir haben gelernt, dass beim Trekking genau wie im Alltag nicht alles nach Plan verläuft. Es kommt jedoch darauf an, dass man das Beste aus den Gegebenheiten macht. Dies ist uns gelungen und hat uns dazu ermutigt, noch viele weitere Projekte zusammen in Angriff zu nehmen, denn: Nach der Tour ist vor der Tour!

 Quelle: Veröffentlichung im Bergzeit Blog