Hochvogel | Tourenbericht

(24.02. bis 01.03.2013)

by Ben W.

Tag 1:


Bereits bei der Anfahrt ins Lechtal kamen uns Zweifel daran ob wir die Verhältnisse nicht etwas unterschätzt haben. Das Thermometer zeigte bis zu -19°C Außentemperatur an - das war deutlich kälter als der Wetterbericht prognostiziert hatte und war für unser Empfinden dann doch eine Nummer zu ungemütlich. Wie dem auch sei, nun waren wir hier... wir konnten ja schlecht einfach wieder zurückfahren und das Projekt abblasen. Also überwanden wir uns, verließen das Auto und bereiteten unsere Ausrüstung vor. Ein letzter Anruf beim Lawinenwarndienst Tirol offenbarte jedoch eine Veränderung der Lawinensituation: Die Neuschneemenge der letzten Nacht fiel wesentlich größer aus als angenommen. Zudem sollten wir nach einer längeren Schlechtwetterperiode nun äußerst gutes Wetter bekommen. Dieses Kombination sorgte nun dafür das es ab einer Höhe von 1800m zu einem drastischen Anstieg der Lawinengefahr kommen sollte. Insbesondere seien schattige Nordhänge durch Triebschneeansammlungen betroffen. Die neuen Infos brachten also ein unverantwortbares Maß an Risiko mit sich, weshalb wir beschlossen alternativ den Hochvogel (2592m) zu besteigen. Wir wollten den südseitigen Anstieg über den Süd-Ost-Grat wählen. Wir hofften das sich die Lawinensituation in Süd-Ost-Exposition nun von Tag zu Tag mit der starken Sonneneinstrahlung verbessern würde, da sich die Schneedecke durch das ständige Antauen tagsüber und Gefrieren nachtsüber verfestigen würde.

Gegen 04:45 Uhr verließen wir also Hinterhornbach und suchten uns im Schein der Kopflampen unseren Aufstiegsweg durch die dichten Tannenwälder. Da jeder von uns einen ungefähr 30kg schweren Rucksack trug, das Gelände extrem steil war und selbst unter den Bäumen sehr viel Neuschnee lag, kamen wir entsprechend langsam voran. Dies hatte zur Folge das wir selbst durch die Anstrengung nicht sonderlich warm bekamen - wir sehnten die ersten Sonnenstrahlen herbei...

Nach ungefähr 5 Stunden Aufstieg erblickten wir zum ersten Mal die mächtige Südwand des Hochvogels. Wir machten auf einer sonnigen Lichtung Rast und suchten die vielversprechendste Linie in Richtung Gipfel. Nach 3 weiteren Stunden fanden wir einen hervorragenden Zeltplatz kurz unterhalb der Baumgrenze und regenerierten den restlichen Tag.

Tag 2:

Die Nacht war der absolute Horror! Die Temperaturen fielen auf -17°C. Dieser Umstand offenbarte bereits große Unterschiede in der Tauglichkeit unserer Ausrüstung. Während es Benny in seinem neuen HUSKY-Schlafsack vergönnt war wenigstens einige Stunden Schlaf zu finden, erging es Kai nicht ganz so gut. Er verbrachte die gesamte Nacht mit Zittern und war am Morgen stark unterkühlt. Doch überraschenderweise wurde eine Stunde später nach dem ersten Heißen Tee bereits wieder gelacht - ein gutes Zeichen, das Team hatte die Nacht alles in allem gut weggesteckt.


Heute ging es nun auf den Süd-Ost-Grat. Jetzt da wir das schützende Dach der Baumkronen verließen, hatten wir mit noch mehr Schnee zu kämpfen. Es war zum Verrücktwerden. Mit den Schneeschuhen sanken wir "nur" bis zu den Knien ein, rutschten jedoch in dem steilen Gelände ständig zurück. Ohne Schneeschuhe sanken wir bis zur Hüfte ein... Wir beschlossen daher einen Großteil des Gepäcks hier zu deponieren und auf dem Rückweg wieder mitzunehmen. Mit etwas leichterer Ausrüstung ging es nun also weiter Richtung Gipfel. Nun begann das "richtige" Bergsteigen unter Zuhilfenahme von Steigeisen, Eispickel und Seil. In den Morgenstunden kamen wir noch gut voran, die Schneedecke war verharscht und teilweise überwanden wir kleinere Eisflanken. Mit zunehmender Tageszeit wurde es jedoch wärmer, die Schneedecke taute an womit es schwieriger wurde voran zu kommen. Schließlich wurde es derart heiß da die Sonne frontal auf die Schneedecke traf und von dieser reflektiert wurde, dass wir uns ernsthaft Sorgen wegen der Lawinengefahr machten. Etwas oberhalb von uns sahen wir eine größere Grasfläche in dem ansonsten schneebedeckten Hang. Unterhalb davon waren eindeutig die Spuren eines kürzlich vonstattengegangenen Lawinenabgangs zu sehen. Uns wurde plötzlich klar, dass wir uns in eine recht ungünstige Situation manövriert hatten, da das Gelände hier zwischen 40° und 50° steil war und die Bedingungen für Gleitschneelawinen hier besonders gut waren. Wir konnten hier nicht bleiben und querten den gefährdeten Hang Richtung Osten. Unser Ziel war ein nicht ganz so steiler Hang mit einer kleinen Baumgruppe. Bei der nervenaufreibenden Querung lauschten wir angespannt auf die Geräusche der Schneedecke und waren darauf bedacht einen großen Abstand zu halten um die Schneedecke nicht mehr als nötig zu belasten. Die Querung ging gut, bis auf einige sehr kleine Schneerutsche gab es keine Zwischenfälle. Wir erreichten die Baumgruppe und biwakierten in dieser Nacht dort. Dummerweise fing der Tank unseres Benzinkochers bei der Zubereitung des Abendessens Feuer - das gesamte Teil stand in Flammen!! Nach einer wagemutigen/dämlichen Löschaktion stellten wir fest das der Tank im oberen Teil einen Riss aufwies und dort permanent Benzin austrat! Davon abgesehen das die Aktion nicht gerade ungefährlich war, hatten wir jetzt auch noch das Problem nichts Warmes mehr zubereiten zu können, geschweige denn Schnee zum Trinken zu schmelzen... wunderbar!

Tag 3:

Gipfelsturm! Nach einer ungemütlichen Nacht im Biwaksack brachen wir zeitig auf um rechtzeitig vor der großen Mittagshitze die steilsten Schneeflanken hinter uns gelassen zu haben. Es dauerte einige Zeit bis wir in Fahrt kamen, da uns die kalte Nacht noch in den Knochen lag und wir seit zwei Tagen viel zu wenig getrunken hatten (der Arbeitsaufwand um aus Schnee genügend Trinkwasser zu schmelzen ist enorm!). Doch als das Gelände langsam senkrecht wurde hieß es sich auf den Punkt zu konzentrieren und den Einsatz zu erhöhen. Bei herrlichem Wetter erreichten wir gegen Mittag den Gipfel des Hochvogels und warteten in einer atemberaubenden Kulisse die heißesten Mittagsstunden ab, bevor wir uns am Nachmittag erneut in die lawinengefährdeten Hänge der Südwand begaben und bis ins Tal abstiegen. Als wir abends das Auto erreichten, beschlossen wir sofort in Richtung Feldberg aufzubrechen um dort noch einen Tag Ski zu fahren. Nach einer verhältnismäßig komfortablem (wenn auch kurzen) Nacht im Auto verbrauchten wir unsere letzten Kraftreserven bei wunderbarem Wetter auf den Pisten des Feldberges.


Fazit:

Wie schon so oft bei unseren Touren verlief beileibe nicht alles nach Plan - doch diesmal konnten wir uns erkennbar überwinden eine gewisse Grenze zu überschreiten und wurden mit unglaublichen Eindrücken und Erlebnissen belohnt. Für uns ein voller Erfolg!